Poelzig, Hans und Moeschke-Poelzig, Marlene

[1869–1936]

Hans Poelzig
Hans Poelzig und Marlene Moeschke-Poelzig um 1930 (UNI 2005/02 Teil 1)

Hans Poelzig war einer der bedeutendsten Hochschullehrer und Spezialisten für Großprojekte der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Dass er in Krefeld 1931 seinen einzigen Bau im Rheinland verwirklichte und noch dazu einen Gebäudetypus, der ihn eigentlich gar nicht interessierte – ein Wohnhaus –, bleibt erstaunlich. Und auch die über viele Jahrzehnte einzige Ausstellung seines Werks (einschließlich seiner Malerei) fand in Krefeld statt. Museumsdirektor Paul Wember organisierte sie 1951 mit Unterstützung von Poelzigs Schülern; Theodor Heuss, damaliger Bundespräsident, Freund und Biograf von Poelzig, eröffnete sie. Drei ehemalige Schüler Poelzigs wirkten zu jener Zeit in Krefeld: Helmut Hentrich hatte mehrere Wohnhäuser errichtet, Fritz G. Winter leitete seit 1947 die Werkkunstschule und Egon Eiermann saß gerade an der Planung der Verseidag Hauptverwaltung sowie am Wettbewerb für die neu zu errichtende Textilingenieurschule. Zur Eröffnung der Ausstellung waren sie alle anwesend, wie auch die Architekten Friedrich  Tamms und Rudolf Schwarz, und Wember berichtete: „Es begannen spannungsreiche Diskussionen, die ein großes Presseecho hervorriefen.“1Paul Wember, Kunst in Krefeld, Köln 1973, S. 29 Der im Katalog bereits angekündigte zweite Teil der Ausstellung mit Poelzigs Schülern scheiterte jedoch an der Unvereinbarkeit ihrer sehr unterschiedlichen beruflichen Biografien und Haltungen während der NS-Zeit.2Sylvia Claus, Schüler und Schule. Hans Poelzigs Lehre, in: Wolfgang Pehnt/ Matthias Schirren (Hg.), Poelzig. Architekt, Lehrer, Künstler, München 2007, S. 1723Paul Wember, Poelzig. Bauten, Entwürfe, Gemälde, Ausst.-Kat. Kaiser Wilhelm Museum, Krefeld 1951

Hans Poelzig gehört zu den „Schwergewichten“ der Architekturgeschichte. Eine knappe Generation älter als Walter Gropius oder Ludwig Mies van der Rohe, kennzeichnet sein Werk die „Doppelgesichtigkeit des aufgeklärten Wilhelminismus“, die sich in der „Rationalität seiner Planungen einerseits“, und dem „farbigen, noch ganz dem Kunstverständnis des 19. Jh. geschuldete(n) Illusionismus seiner Entwürfe andererseits“ ausdrückt. 4Matthias Schirren, „Poelzig, Hans“, in: Neue Deutsche Biographie 20 (2001), S. 565–567 [Online-Version], https://www.deutsche-biographie.de/pnd118741217.html#ndbcontent Poelzig studierte von 1889 bis 1894 Hochbau an der TH Berlin Charlottenburg und wurde im Anschluss Lehrer, später Direktor der Kunstgewerbeschule in Breslau. Aufgrund seiner Reform der Ausbildungsstruktur gilt die Schule heute als „Bauhaus vor dem Bauhaus“. Poelzig blieb bis zu seiner Pensionierung Hochschullehrer, u. a. an der Akademie der Künste in Berlin und an der TU Berlin. Von 1919 bis 1922 war er Vorsitzender des Deutschen Werkbunds und wie Mies Mitglied in der avantgardistischen Architektenvereinigung „Der Ring“.

Zu seinen wichtigsten erhaltenen Werken gehören die Chemischen Werke in Luban, Posen (1911/12), das Haus des Rundfunks in Berlin (1930) sowie der Verwaltungsbau der I. G. Farben (1929/39), in dem heute die Universität Frankfurt sitzt. Poelzigs Arbeiten kennzeichnet eine expressive Behandlung der Baukörper und Oberflächen. Die Beispiele des Neuen Bauens in seinem Werk, wie das Wohnhaus für die Weißenhofsiedlung in Stuttgart anlässlich der von Mies van der Rohe geleiteten Werkbundausstellung 1927 oder sein Wohnhaus in Berlin stammen, wie heute bekannt ist, weitgehend von seiner Frau, der Bildhauerin und Architektin Marlene Moeschke-Poelzig (1894–1985). Seit 1919/20 arbeitete sie als Angestellte in seinem Meisteratelier; 1924 heirateten sie. 1928/29 entwarf sie das Wohnhaus für ihre Familie in Berlin, das mit einem bildreichen Beitrag in der Zeitschrift Innendekoration gewürdigt wurde.5Haus Poelzig in Berlin-Westend. Erbaut von Marlene Poelzig, in: Innendekoration: mein Heim, mein Stolz, die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort, 42 (1931), S. 314–322 Ihr Beitrag zum architektonischen Werk Poelzigs ist noch nicht vollständig erforscht. Neben dem Haus auf der Werkbundsiedlung gilt ihre Mitarbeit am Berliner Schauspielhaus, wo die skulpturalen Lampen auf ihren Entwurf zurückgehen, an den Bauten auf dem Berliner Messegelände, am Haus des Rundfunks und am Verwaltungsbau der I. G. Farben als gesichert. Nach Poelzigs Tod 1936 trat sie als Architektin jedoch nicht mehr in Erscheinung.6Ute Maasberg/Regina Prinz, Die Neuen kommen! Weibliche Avantgarde in der Architektur der zwanziger Jahre, Hamburg 2004, S. 58–61