Mies van der Rohe, Ludwig

[1886–1969]

Ludwig Mies van der Rohe 1934 (Foto Hugo Erfurth)

Der vielleicht bedeutendste deutsche Architekt des 20. Jahrhunderts, Bauhaus-Direktor und Protagonist des „International Style“, des Neuen Bauens als globales Phänomen moderner Architektur, hat in Krefeld eindrucksvolle Beispiele seines Schaffens hinterlassen – zwei Wohnhäuser und seinen einzigen Industriebau. Seit 1927 bis zu seiner Übersiedlung in die USA hat Mies van der Rohe, häufig gemeinsam mit Lilly Reich, zehn Aufträge aus dem Kreis der Krefelder Seidenindustrie, ihrem Verband und ihren Protagonisten erhalten.

Es war der Seidenfabrikant und Kunstsammler Hermann Lange, der Mitte der 1920er-Jahre auf Mies van der Rohe aufmerksam wurde. Er suchte einen Architekten für die Wohnhäuser , die er und sein Geschäftspartner Josef Esters errichten wollten. Zeitpunkt und Anlass der ersten Begegnung sind nicht bekannt, aber es ist zu vermuten, dass sie im Rahmen der Kunstszene, wahrscheinlich über den Galeristen Karl Nierendorf Anfang 1927 stattfand. 

In den folgenden zehn Jahren wurde Mies van der Rohe aus dem Kreis der Seidenindustrie mit zahlreichen weiteren Projekten beauftragt, von denen er mehrere zusammen mit Lilly Reich bearbeitete: Für den Branchenverband Verein deutscher Seidenwebereien VdS entwarfen sie 1927, 1929 und 1937 aufsehenerregende Messestände: 1927 das Café Samt & Seide für die Berliner Ausstellung Die Mode der Dame, 1929 die Deutsche Seide auf der Weltausstellung in Barcelona, 1937 die Textilabteilung auf der Reichsausstellung der deutschen Textil- und Bekleidungswirtschaft in Berlin (der Auftrag wurde ihnen kurz vor der Eröffnung entzogen) sowie Reich alleine die Präsentation der deutschen Textilindustrie auf der Weltausstellung in Paris 1937. Parallel dazu hatte Mies 1930 das Färberei- und HE-Gebäude für die Verseidag realisiert, ein Clubhaus für den neu gegründeten Golfclub Krefeld (unrealisiert) sowie eine Wohnungseinrichtung und ein nicht verwirklichtes Wohnhaus für ein Mitglied der Familie von Hermann Lange entworfen. Das letzte Projekt für die Krefelder Seidenindustrie war 1937 die neue Hauptverwaltung der Verseidag, eine der führenden Seidenwebereien Deutschlands. Sie wurde jedoch nicht realisiert. Der wortkarge Mies würdigte seine Krefelder Auftraggeber mit der freundlichen Bezeichnung „Krefelder Freunde“.

Ludwig Mies van der Rohe besuchte zunächst die Gewerbeschule in seiner Geburtsstadt Aachen, ehe er unter anderem bei Bruno Paul und später bei Peter Behrens als Architekt arbeitete. 1913 machte er sich als Architekt selbstständig und entwarf in den Folgejahren eine Reihe von repräsentativen Wohnbauten. Waren diese zunächst am klassischen Vorbild und neueren Positionen der Reformarchitektur orientiert, so zeigte Mies van der Rohe seit Anfang der 1920er-Jahre eine zunehmend avantgardistische Haltung: Glas und Stahl/Stahlbeton als hauptsächliche und prägende Materialien, offene, fließende Räume und die Verschränkung von Außen- und Innenraum. In Ausstellungen und Publikationen wie der Zeitschrift G propagierte Mies van der Rohe seine Ideen zum Bauen. 

1930 wurde Mies van der Rohe zum Direktor des politisch sehr bedrängten Bauhauses berufen, wo er Architektur und Raumgestaltung in den Mittelpunkt stellte. Unter dem Druck der NS-Machthaber entschied sich die Leitung des Bauhauses nach diversen Auseinandersetzungen, in deren Rahmen es als Privatinstitut nach Berlin umgezogen war, den Betrieb zu schließen. Mies van der Rohe hegte noch die Hoffnung, auch unter dem neuen Regime beruflich frei tätig sein zu können. 

Mies van der Rohe siedelte 1938 nach Chicago um, wo er nicht nur die Möglichkeit erhielt, ein Architekturbüro zu gründen, sondern auch als Hochschullehrer zu wirken und den Campus des neuen Instituts zu planen. In den USA prägten die Möglichkeiten des Stahl- und Hochhausbaus seine Architektur. Nach Deutschland führten ihn noch mal ihn einzelne Planungsaufträge (Hauptverwaltung Krupp, Essen; Theater Mannheim), von denen aber nur die Neue Nationalgalerie in Berlin von 1962 bis 1968 ausgeführt wurde.1Lange/Blümm (Hg.), Bauhaus und Textilindustrie. Architektur, Design, Lehre, München 2019, S. 360–362