Details
Adresse Adlerstraße 32
Baujahr 1895
Architekt Regierungsbaumeister Reimer
Auftraggeberin Stadt Krefeld
Heutige Nutzung Hochschule Niederrhein
Appretur (Ausrüstung und Veredelung von Stoffen) und Färberei (von Stoffen oder Strängen) sind untrennbar mit der Seidenweberei verbunden, insbesondere seit die Produktion mechanisiert war. Nachdem Krefeld sich zu einem Zentrum der Seidenindustrie entwickelt hatte, entstanden im 19. Jahrhundert auch die dafür notwendigen Ausbildungsinstitute. 1855 wurde die Webeschule am Corneliusplatz eingerichtet, 1896 folgte die Färberei- und Appreturschule auf der Adlerstraße. Sie galt als die bedeutendste in Deutschland, ein Ruf, der bis an das Weimarer Bauhaus vordrang. Mehrere Studentinnen der Textilklasse absolvierten hier in den 1920er-Jahren Fachkurse für Färberei, um sich das nötige Wissen auf diesem Gebiet anzueignen und am Bauhaus einzuführen.
Unter ihnen waren auch die spätere Leiterin der Textilklasse am Bauhaus, Gunta Stölzl, sowie die zukünftige Frau des Krefelder Baurats Volger, Lis Beyer; ebenso Margaret Leischner, die 1946 als Mitglied des Britischen Geheimdienstes BIOS erneut nach Krefeld kam, um sich über den Stand der Gestalterausbildung zu informieren.1Christiane Lange, Bauhaus nützlich. Die Avantgarde im Auftrag der Seidenindustrie, in: Lange/Blümm (Hg.), Bauhaus und Textilindustrie. Architektur, Design, Lehre, München 2019, S. 26–28 Allerdings interessierten sie sich weniger für das Färben mit Kunstfarben, das damals der State of the Art war, sondern baten die Meister, ihnen Naturfärbeverfahren beizubringen, was diese auch taten.2Anke Blümm/Carina Burck, „So viel Bauhaus auf einem Fleck“. Bauhäusler in Krefeld 1922–1971, in: Lange/Blümm (Hg.), Bauhaus und Textilindustrie. Architektur, Design, Lehre, München 2019, S. 90–155, zu Volger S. 134–143, S. 107
Das Gebäude ist mit nur wenigen Veränderungen zu zwei Dritteln erhalten, ebenso gibt es in der Sammlung der TU Berlin Architekturzeichnungen der Straßen- und der Hofseite, unterzeichnet mit „Crefeld, den 14. April 1896. Der Baurath: gez: W. Ewerding. Der Regierungsbaumeister: gez. Reimer.“
Die Architektur des Gebäudes orientierte sich am preußischen Schulbau und an der Industriearchitektur des späten 19. Jahrhunderts im Rheinland, vergleichbar mit der Fassadengestaltung der – sehr viel kleineren – Seidenweberei Audiger & Meyer →. Die dreigeschossige ziegelsichtige Fassade ist dreigeteilt. Die äußeren Bereiche mit vier Fensterachsen werden jeweils von einem Zwerchdach mit einer Giebelgestaltung aus Bullaugen- und Rundbogenfenstern gekrönt (nur das nördliche ist erhalten). Im längeren Mittelteil mit elf Fensterachsen liegt mittig der Zugang. Er wurde in den 1920er-Jahren im Stil der Zeit mit einer Natursteinverkleidung überformt. Die Planung der Architekten zeigt im Mittelteil drei weitere kleinere Zwerchdächer, die nicht erhalten sind.
Bis auf Portal und Giebel ist die Fassade regelmäßig gegliedert. Geschoss- und Dachgesimse betonen die Horizontale. Sie sind als dekorative Backsteinbänder ausgeführt, ebenso die Segmentbögen über den Fenstern. Die ebenfalls weitgehend erhaltene Hofseite ist durch Treppenhäuser aufgelockert. Im Hofbereich schließen flache Bauten und Shedhallen an. An der Westseite schließt das Gebäude an, in dem die Textilforschungsanstalt → von 1920 – 1955 unter gebracht war.