Pfau, Bernhard — Textilingenieurschule (TIS)

Details

Adresse Frankenring 20
Baujahr 1951−1958
Architekt Bernhard Pfau (1902−1989)
Auftraggeber*innen Stadt Krefeld, Land NRW, Verband der deutschen Seidenindustrie VdS
Heutige Nutzung Hochschule Niederrhein

Betonpiloti des Audimax (StAKR)
Glasfassade mit Audimax 1957 (B. Pfau-Archiv, Berlin)
Audimax (StAKR)
Innenhof mit Wasserbecken 1957 (B. Pfau-Archiv Berlin)
Betonpiloti des Audimax (StAKR)
Audimax (StAKR)
Glasfassade mit Audimax 1957 (B. Pfau-Archiv, Berlin)
Innenhof mit Wasserbecken 1957 (B. Pfau-Archiv Berlin)

„Gäbe es heute wieder ein Bauhaus als Hochschule für Gestaltung, so würden seine Ausbildungsstätten nicht mehr an einem Ort, sondern in den Zentren der verschiedenen Industrien liegen müssen.“1Georg Muche, Textilkunst, in: 100 Jahre Textilingenieurschule Krefeld, Krefeld o. J. (1956), S. 97 Der Bauhäusler Georg Muche zielte mit dieser Behauptung direkt auf die Krefelder Textilingenieurschule, an der er seit 1938 die Meisterklasse leitete. Ein vehementes Bekenntnis der Stadt Krefeld und der Seidenindustrie zur Avantgarde sollte auch in der Errichtung eines Schulneubaus sichtbar werden, um der internationalen Bedeutung der Stadt als Zentrum der Seidenindustrie wieder Nachdruck zu verleihen. 

Nachdem sich die Stadt und der Verband der Seidenindustrie gegen den Wiederaufbau der stark zerstörten Webeschule am Corneliusplatz entschieden hatten, wurde 1951 ein Wettbewerb für dieses Prestigeprojekt ausgeschrieben. Der Bau sollte „nach modernsten Gesichtspunkten alle Ausbildungs- und Forschungseinrichtungen in einem weitläufigen Komplex vereinigen“. Der Websaal in Form einer Shedhalle war als erster Bauabschnitt bereits 1951 von Franz Lorscheidt realisiert worden und musste in die Planung integriert werden. Mit Stahlskelett und Vorhangfassade in der Nachfolge des von Walter Gropius entworfenen Dessauer Bauhaus-Gebäudes, mit großen Wandflächen aus Glasbausteinen im Erdgeschoss und einem futuristischen Audimax auf Stelzen definierte sich die Krefelder Textilindustrie mit diesem Neubau erneut als Auftraggeberin der Moderne.

Bernhard Pfau, der zu den bedeutenden Vertretern der Nachkriegsmoderne zählte, war 1951 mit seinem Entwurf als Sieger aus einem Wettbewerb hervorgegangen, an dem auch die Architekten Egon Eiermann, Lorscheidt, Hans Mehrtens und eine Gruppe des Städtischen Hochbauamts mit dem Bauhäusler Hans Volger mitgewirkt hatte. Ausgehend von der im ersten Bauabschnitt errichteten Shedhalle entwickelte Pfau um einen Garten einen hofartigen Komplex. Der Garten war als Ort der Begegnung geplant. Zur Straße präsentierte sich der Neubau mit einem „Schaufenster der Seidenindustrie“ der Öffentlichkeit. Über alle vier Geschosse war eine Vorhangfassade installiert, die Ein- und Ausblicke ermöglichte. Glas gehörte zu Pfaus bevorzugten Baustoffen jener Jahre, in denen er auch für die Glasindustrie tätig war. 

Diesem transparenten Querriegel ist der Audimax in Form eines amorphen fensterlosen Betonkorpus auf schweren Pfeilern und einer Verkleidung aus eloxierten Aluminiumplatten vorgelagert. Als vorspringender, mit dem Saalboden ansteigender Kanzelbau bildet er zugleich das Vordach des Haupteingangs. Ursprünglich sollte er den gläsernen Querriegel im Verhältnis des Goldenen Schnitts gliedern und einen ästhetischen Kontrapunkt setzen. Die Fortsetzung des Riegels Richtung Süden – dort aufgeständert auf mächtige Betonpfeiler – wurde jedoch nicht mehr verwirklicht.

Rückwärtig, in der Verlängerung des Betonannexes verbindet eine beidseitig verglaste Ausstellungshalle (heute Mensa) das Hauptgebäude mit der Shedhalle. Ihr auffälliger Boden ist noch vorhanden, aber zur Zeit nicht sichtbar: er ist mit Glasbausteinen durchsetzt, die die darunter liegenden Räume der Gewebesammlung (heute Bibliothek) mit gedämpftem Tageslicht versorgten.

Pfau komplettierte die Hofanlage mit ihren großzügigen Grünflächen durch zwei zweigeschossige Trakte für Ateliers und Laborräume. Die Stirnseite wurde mit grünen Natursteinplatten verkleidet.

Mit dem Niedergang der Textilindustrie und der Umstrukturierung der Fachschulausbildungen verlor die Schule in den 1960er-Jahren an Bedeutung, die Architektur blieb unvollendet: Das beabsichtigte Spannungsverhältnis von Gebäuderiegel, Audimax und dem Turm der benachbarten Textilforschungsanstalt konnte sich nicht entwickeln. Die parkähnliche Anlage mit Wegen, die zwischen und unter den Gebäuden durchführen sollte, kam ebenfalls nicht zur Ausführung. Stattdessen bevölkern bis heute Autos die Flächen.

1965 ging die Immobilie in den Besitz des Landes über. Seit 1971 wird die Anlage von der damals neu gegründeten Fachhochschule Niederrhein, heute Hochschule Niederrhein genutzt. Seit 2008 ist hier der Fachbereich Design untergebracht.2Julius Niederwöhrmeier, Das Lebenswerk des Düsseldorfer Architekten Bernhard Pfau (1902–1989), Diss. Darmstadt 1997, S.205–225 und W141, S. 210–225 und W1413Nicolas Beucker/Christiane Lange, Vision und Perspektive. Krefelder Baukultur von Bernhard Pfau, Hochschule Niederrhein, Krefeld 20134Christiane Lange, Die Deutsche Seidenindustrie als Auftraggeber der Moderne, in: Kerstin Plüm (Hg.), Mies van der Rohe im Diskurs. Innovationen – Haltungen – Werke. Aktuelle Positionen, Bielefeld 2013, S. 117–138

Webeschule Krefeld um 1900, nicht erhalten (StAKR 14484)
"Schaufenster der Seidenindustrie" 1960er-Jahre (StAKR)
Gewebesammlung 1960er-Jahre, heute Bibliothek (StAKR)
Zeichensaal 3. OG (StAKR)