Details
Adresse Joseph-Beuys-Platz 1
Baujahr 1894−1897
Erweiterung 1905−1912
Architekt Hugo Koch (1846−1921)
Auftraggeber*innen Stadt Krefeld und Museumsverein
Kunst am Bau Genius der Künste von Hugo Lederer, Wilhelm I. von Gustav Eberlein
(Spätere Umgestaltungen: 1966–1968 durch Paul Alfred Kesseler sen., 2012–2017 durch Brenne Architekten)
Finanziert und bestückt durch Spenden und Stiftungen Krefelder Bürger, darunter viele aus dem Umfeld der Textilindustrie, wurde das Kaiser Wilhelm Museum 1897 als Museum für Kunst und Gewerbe eröffnet. Der repräsentative historistische Bau im typischen Palaststil der Jahrhundertwende befindet sich in exponierter Lage an einem der vier, im Rechteck angeordneten boulevardartigen Wälle, die die Innenstadt seit Mitte des 19. Jahrhunderts umschließen. Das Bauwerk verkörperte gleichermaßen den Stolz der reichen Textilstadt wie die Bedeutung, die Kunst und Kultur als Mittel der Identifikation und der Zukunftsgestaltung zugedacht wurden.
Der erste Direktor Friedrich Deneken war ein renommierter Vertreter der Reformbewegung, der schon im Vorfeld der Gründung des Deutschen Werkbunds 1907 dessen Ziele verfolgte und Vertreter der gestalterischen Avantgarde mit Unternehmern – auch der Krefelder Seidenindustrie – zusammenbrachte, um die Produktgestaltung zu verbessern. Das Museum war bis zur Machtübernahme der Nationalsozialisten ein gewichtiges Mitglied in dem industriell-kulturellen Netzwerk aus Werkbund, Kunstszene, Textilindustrie und Stadt, das die Voraussetzungen schuf für den prägenden Einfluss, den Vertreter des Bauhauses ab 1930 vor allem auf die Ausbildung der Textilgestalter nahmen.
Ein Projekt des Museums, das als „Künstlerseide“ in die Geschichte eingegangen ist und an dem um 1900 auch die Webereien Deuß & Oetker sowie Carl Lange teilnahmen, kann als Anfang der Verbindung von künstlerischer Avantgarde und Seidenindustrie gelten, die in unterschiedlicher Ausprägung bis in die 1960er-Jahre anhielt und sich in Architektur, Design und Lehre niederschlug. Mit Ausstellungen, gemeinsamen Aktivitäten von Museum und Branchenverband und dem Mitwirken der Museumsdirektoren in Ausschüssen des Werkbunds wurde das Museum eine Plattform, auf der Fragen der Gestaltung – nicht nur des Textildesigns – diskutiert wurden. Denekens Nachfolger Max Creutz sah das Museum als „Brücke zwischen dem Werkbund und den Kreisen, auf die es befruchtend wirken sollte“. 1924 konnte Creutz die bedeutende Sammlung „Museum für Kunst in Handel und Gewerbe“ von dem 1921 verstorbenen Karl Ernst Osthaus mit finanzieller Unterstützung des Museumsvereins für Krefeld sichern.
Auch während der Herrschaft der Nationalsozialisten konnten im Rahmen von Werkkunstausstellungen Arbeiten von Bauhäuslern → gezeigt werden und nach dem Zweiten Weltkrieg beteiligte sich das Museum schließlich an der Würdigung des nun historisch werdenden Bauhauses.Christiane Lange, Bauhaus nützlich. Die Avantgarde im Auftrag der Seidenindustrie, in: 1Lange/Blümm (Hg.), Bauhaus und Textilindustrie. Architektur, Design, Lehre, München 2019, S. 24–89, S. 48–50, 862Anke Blümm/Carina Burck, „So viel Bauhaus auf einem Fleck“. Bauhäusler in Krefeld 1922–1971, in: Lange/Blümm (Hg.), Bauhaus und Textilindustrie. Architektur, Design, Lehre, München 2019, S. 144–147
Hugo Koch, Architekt, „Vater des Museum“ und engagierter Bürger der Stadt, gestaltete einen repräsentativen Bau im typischen Palaststil der Jahrhundertwende. Der zweigeschossige Werksteinbau erhielt durch die Anbauten ab 1905 eine Hufeisenform. Seine Fassaden sind mit einer Mischung barocker und klassizistischer Bau- und Zierformen gestaltet: ein tempelartiges Gebälk, Rundbogenfenster und ionische Halbsäulen im Obergeschoss mit Attika und Kranzgesims.
Ursprünglich führte eine breite Freitreppe zum dreibogigen Museumseingang im Hochparterre. Das gewaltige Treppenhaus war zugleich Gedenkhalle für Wilhelm I. als Friedensfürst, dem das Museum gewidmet war. Ein überlebensgroßes Standbild aus Carrara-Marmor von dem Berliner Bildhauer Gustav Eberlein stand zwischen den beiden ins Obergeschoss führenden Treppenläufen. Seit dem ersten Umbau des Museums Ende der 1960er-Jahre steht es im Freien, vor der Nordfassade des Hauses.
Die Bronzeplastik Genius der Künste auf dem Dach von Hugo Lederer (1871–1940) spiegelt die Gründungsabsicht des Hauses als Vorbildsammlung und Ort der ästhetischen Erziehung wider. Genius, dargestellt als weibliches, geflügeltes Wesen, steht schützend hinter zu seinen Füßen sitzenden Figuren. Die linke mit Zeichenwerkzeug in der Hand kann als Personifizierung der Künste gelesen werden. Interessant ist die andere, über die Genius einen Lorbeerkranz hält: Sie betrachtet das Fragment eines antiken Tonkrugs und verweist damit auf die Bedeutung der Nachahmung und des Studiums von antiken (und anderen) Vorbildern im Rahmen der künstlerischen Ausbildung. Die Figurengruppe ist damit einem Kunst- und Ausbildungskonzept des 19. Jahrhunderts verpflichtet, dessen Überwindung zugunsten der Entdeckung und Entfaltung der individuellen Kreativität Ziel der Reformbewegungen seit dem Ende des Jahrhunderts wurde und sich nicht zuletzt im Konzept der Bauhaus-Lehre niederschlug.