Burkart, Johann — Fassadenfragment der Handwerker- und Kunstgewerbeschule

Details

Adresse Neue Linnerstraße/Petersstraße
Baujahr 1901−1903
Architekt Johann Burkart (1827−1901)

Fassadenfragment 2021
Ansicht Neue Linnerstraße 2021
Fassadenfragment 2021
Ansicht Neue Linnerstraße 2021

Das Gebäude der von Industrie und Gewerbe lange ersehnten, neu gegründeten Kunstgewerbeschule muss die letzte Arbeit des Krefelder Stadtbaumeisters Johann Burkart gewesen sein. In Krefeld ist noch ein Wasserturm an der Gutenbergstraße von ihm erhalten. Der Schulbau war eklektizistisch mit Anlehnung an Renaissance und Gotik gestaltet. Nur ein Teil der nördlichen Fassade ist erhalten.

Das Fassadenfragment hat eine regelmäßige vertikale Gliederung durch sieben Fensterachsen, die oberhalb des Erdgeschosses horizontale Fensterbank- und Geschossgesimse queren. Die untere und obere Fensterreihe schließen mit Rundbögen und Schlusssteinen ab, die mittlere Reihe mit flachen Vorhangbögen. Die obere Reihe hat zudem ein Schmuckprogramm im Brüstungsbereich, das vermutlich Bezug nimmt auf den Zweck des Gebäudes. Zu erkenne ist ein grimmiger, geflügelter Genius, der Schutzgeist der Künste, der auch das städtische Museum krönt, dort jedoch in Gestalt einer jungen Frau. Die anderen Felder zeigen Beispiele des Handwerks soweit es zu erkennen ist, zum Beispiel ein Zahnrad und Schraubschlüssel im Feld rechts vom Genius, Hammer und Meißel links von ihm.

Die Fassade ist vollständig in Werkstein ausgeführt. Die Ebenmäßigkeit des Fragments täuscht darüber hinweg, dass beim ursprünglichen Bau Türmchen und reich dekorierte Giebel im Gotischen Stil den Gesamteindruck prägten. 

Die Handwerker- und Kunstgewerbeschulen waren seit Ende des 19. Jahrhunderts die Antwort auf die an vielen Orten in Deutschland diskutierte Frage der Gestalterausbildung. Durch die Industrialisierung waren neue Herausforderungen für den Gestalter entstanden. Die Reformbewegung um 1900, deren wichtigster Vertreter in Krefeld Museumsdirektor Friedrich Deneken war, versuchte durch die Mitwirkung von Künstlern den „Geschmack“ zu heben. Deneken engagierte sich auch für Gründung der Schule. Sie folgte dem reformierten Konzept, dass sein Freund, der Architekt Hermann Muthesius als Referent am Landesgewerbeamt in Berlin seit 1905 vertrat.

Die Zusammenarbeit mit der ansässigen Industrie stand im Zentrum, ebenso eine allgemein-künstlerische Ausbildung der Schüler. Um neue Impulse für die Gestaltung zu entwickeln, wurden kompetente Kräfte wie der Krefelder Architekt August Biebricher, der Niederländer Jan Thorn Prikker, der Belgier Julius de Praetere und der Däne Julius Svensson an die Schule geholt. Sie vermittelten den Schülern eine breite Palette handwerklicher Gestaltungsfähigkeiten: Bau- und Raumkunst (mit Tischlerei), Bildhauerei, Dekorations- und Wandmalerei, Gold- und Silberschmieden, Ornamententwurf, Druckgrafik und Buchkunst. Die Schule machte sich über die Region hinaus einen Namen als modernes Ausbildungsinstitut.

Die Schule war für die Textilindustrie nur von nachrangiger Bedeutung, obschon sie gerne die leitende Rolle auch in der Textilausbildung übernommen hätte. Die Industrie setzte jedoch seit Mitte der 1920er-Jahre auf das radikalere Bauhaus, von wo sie Absolventen und ehemalige Lehrer nach Krefeld an die Schule für Flächenkunst, ein Teil der Textilingenieurschule, holte.

In der NS-Zeit als Meisterschule für das deutsche Handwerk dem nationalsozialistischen Ausbildungskonzept angepasst, wurde die Institution nach Kriegszerstörungen und Wiederaufbau 1949 in eine Werkkunstschule umgewandelt, hier lehrte u. a. der Bauhäusler Gerhard Kadow.1OChristopher Oestereich, Werkkunst – Bauhaus – Industrie. Bauhäuslerinnen und Bauhäusler und die Entwicklung der Gestalterausbildung in Krefeld 1930–1970, in: Lange/Blümm (Hg.), Bauhaus und Textilindustrie. Architektur, Design, Lehre, München 2019, S. 232–233

Kunstgewerbeschule 1910er-Jahre (StAKR 14514)