Lange, Hermann

[1874–1942]

Herman Lange um 1930
Hermann Lange, Josef Esters 1920er-Jahre (Nachlass Fam. Lange)

Der Seidenfabrikant und Kunstsammler Hermann Lange nahm bei der Öffnung der Seidenindustrie für Künstler und Entwerfer ihrer Zeit, insbesondere für Vertreter des Bauhauses, eine zentrale Rolle ein. Gemeinsam mit dem Unternehmer Alex Oppenheimer und dem Geschäftsführer des Vereins deutscher Seidenwebereien, Erich Raemisch engagierte er sich nachhaltig für die Verbesserung der künstlerischen Ausbildung in der Textilindustrie und die Verankerung gestalterischer Innovation als erfolgsrelevantem Faktor neben technischem und betriebswirtschaftlichem Fortschritt.
Ihre Bemühungen führte 1931 zur Gründung der Schule für Flächenkunst unter der Leitung des Begründers der Bauhaus-Pädagogik, Johannes Itten.

Lange trat nach einer Ausbildung an der Krefelder Webeschule sowie in Textilbetrieben in England und Frankreich 1900 in das väterliche Unternehmen ein . Zu seinen ersten Aufgaben zählte das Projekt der „Künstlerseide“, an dem auch einer der späteren Partner in der Verseidag, die Weberei Deuß & Oetker mitwirkte. 1920 begründete Lange gemeinsam mit dem Seidenfabrikanten Esters den Zusammenschluss ihrer Seidenwebereien mit weiteren Betrieben zu der Vereinigte Seidenwebereien Aktiengesellschaft , in dessen Vorstand Lange bis 1938 blieb. Dem Aufsichtsrat saß er bis zu seinem Tod 1942 vor. Seit 1930 war er Vorsitzender des Branchenverbands Verein deutscher Seidenwebereien, seit 1934 leitete er die Fachgruppe Seide, die die Zusammenarbeit mit Vertretern der Avantgarde fortsetzte und Georg Muche, die Kadows und andere Bauhäusler als Lehrende für Textildesign nach Krefeld holte, aber auch an den „Arisierungs“-Prozessen in der Branche beteiligt war.1Claudia Flümann, „… doch nicht bei uns in Krefeld!“ Arisierung, Enteignung, Wiedergutmachung in der Samt- und Seidenstadt 1933 bis 1963, Essen 2015, S. 352–354

Nach dem Ersten Weltkrieg entwickelte sich Lange zu einem bedeutenden Sammler zeitgenössischer Kunst. 1920 nahm sein Engagement für zeitgenössische Kunst aktivistische Züge an, als er den Verein Junge Kunst gründete, um u. a. auf die in diesem Punkt defizitäre Ausstellungspolitik von Friedrich Deneken, den Leiter des Krefelder Museums, hinzuweisen. 1925 stand er mit Walter Gropius im Kontakt und bemühte sich darum, das politisch bedrängte Bauhaus nach Krefeld zu holen. Wilhelm Graf von Kielmansegg hatte den Kontakt hergestellt.

Durch den Galeristen Nierendorf lernte Lange vermutlich 1927 Mies van der Rohe und Lilly Reich kennen, die bis zu Mies’ Übersiedlung in die USA mehrere Aufträge von Hermann Lange und seiner Familie erhielten: Wohnhaus Lange, Krefeld 1927–1930, Wohnung Crous, Berlin 1930, Haus Ulrich Lange, Krefeld 1935 (nicht realisiert), Umbau Wohnhaus Jörn, Berlin 1940 (nur Lilly Reich) sowie diverse Möbelentwürfe. 

Hermann Lange war seit 1914 Mitglied des Werkbunds. Sein Wohnhaus von Mies van der Rohe wurde durch Schenkung von seinem Sohn Ulrich Lange (1905–1972) Teil der Kunstmuseen Krefeld und dient seit 1955 der Präsentation zeitgenössischer Kunst.2Lange/Blümm (Hg.), Bauhaus und Textilindustrie. Architektur, Design, Lehre, München 2019,, S. 358 f.

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